So und jetzt geht´s raus!
Stell dir mal Folgendes vor: Es geht nach draußen. Wir setzen dich irgendwo in der Wildnis aus. Mutterseelenallein. Und das nicht etwa in der Nähe deines Lieblings-Baggersees im Wäldchen um die Ecke mit frisch geschmierten Käseschnittchen von Mami in der Tasche. Nein, sondern irgendwo in der sibirischen Taiga. Alles, was du dabei hast, sind ein Messer, eine Säge und ein Topf. Du kommst schon damit klar, gell? So, dann noch viel Spaß! Tschüssi!
Social Distancing mal anders
Okay, warum gerade ein Messer, eine Säge und ein Topf? Nun, das wären die Gegenstände, die sich Engin alias Outdooraddict1979 einpacken würde, wenn er nur drei Dinge in die Wildnis mitnehmen dürfte. Wie sein Instagram-Name schon erahnen lässt, fährt Engin absolut auf die freie Natur ab.
Wenn du seine Bilder und Videos siehst, dann kannst du auch nachvollziehen, warum das so ist. Man sieht ihn Dinge aus Holz schnitzen, Holzhütten bauen, Essen auf dem Lagerfeuer zubereiten, Schießübungen machen, entspannen, eine Zigarre schmauchen und einen guten Kaffee aus einem Weitblick-Retro-Becher trinken.
Hammermäßig. Da packt einen direkt das Fernweh und will raus! Vielleicht neigst ja auch du in Zeiten wie diesen eher dazu, die ausgetretenen Pfade zu All-Inclusive-Resorts und den üblichen Wohlfühl-Urlaubszielen zu verlassen und dich einem Social Distancing der etwas anderen Art zuzuwenden. Buchstäblich.
Wenn man so darüber nachdenkt, hat es definitiv Vorteile, seine Komfortzone zu verlassen und irgendwo, ganz weit weg von zu Hause ganz allein auf sich gestellt zu sein. Das wird mit Sicherheit einer der besten Wege sein, um sich selbst wirklich kennenzulernen.
Aber niemand wacht morgens plötzlich auf, packt einfach so ein paar Sachen ein, schnürt sich die Boots und sagt: „So, ich bin dann mal weg!“. Engins Passion für die Wildnis kam auch nicht von ungefähr. Laut ihm waren vor allem Literatur und Erziehung, die ihn dahingehend prägten.
„Als Kind habe ich Bücher, zum Beispiel von Jack London oder Daniel Defoe verschlungen und versucht, diese Abenteuer in meiner unmittelbaren urbanen Umgebung in Deutschland nachzuahmen. Mit meinem Vater habe ich oft Angel- und Camping-Ausflüge gemacht. Er hat mir vieles über die Natur und eine gesunde Geisteshaltung beigebracht.“
Problemlösungskompetenz ist das Wichtigste
Gerade in Pandemie-Zeiten ist ein gesunder Geist wichtiger denn je. Wann immer wir den Fernseher einschalten oder den Internetbrowser öffnen, werden uns Bilder und Nachrichten vor die Nase geklatscht, die alles andere als beruhigend auf uns wirken. Stress und Ungewissheit frei Haus. Da kann die technologiefreie Wildnis ein willkommener Zufluchtsort sein.
Engin gibt sie Ruhe und Fokussierung auf das Wesentliche: „Andere machen Yoga, autogenes Training oder gehen zum Psychologen. Die Natur gibt mir den Ausgleich, den ich brauche, um im Geist gesund zu bleiben.“ Ein starker Geist ist eben der beste Ratgeber. Er sorgt dafür, dass wir nicht in Panik ausbrechen und hilft uns dabei, Lösungen zu finden, wenn wir vor Problemen stehen.
Das ist auch absolut essenziell in der Wildnis, wie uns der Outdoor-Enthusiast bestätigt: „Meiner Erfahrung nach ist die wichtigste Eigenschaft um in der Wildnis zurechtzukommen eine gute Problemlösungskompetenz. Das bedeutet in Lösungen zu denken, anstatt sich nur auf Probleme zu konzentrieren.“ Das kann man auch mal auf’s Einfachste herunterbrechen.
Würde man nämlich das Eingangsszenario aus diesem Text auf die Spitze treiben und nur auf einen einzigen Gegenstand beschränken, den man mitnehmen dürfte, dann würde sich Engin für ein Messer aus Carbonstahl entscheiden. Schließlich könne man allein damit schon eine ganze Menge anfangen: schnitzen, schneiden, Holz hacken, Zunder herstellen, Feuer machen und viele andere Dinge.
Weniger ist manchmal mehr in der Wildnis
Wer seinem Kanal folgt, sieht sofort: der Mann weiß ganz genau, wie man sich in der Natur zurechtfindet – egal, ob er gerade auf einem Camping-Trip mitsamt Gas-Kocher und aufblasbarer Iso-Matte und Zelt unterwegs ist oder auf einem „primitiven Ausflug à la Steinzeitmensch“, wie er sagt.
Ansonsten sind Solar-Paneele, Smartphone, Kameratechnik & Co. seine technischen Begleiter, wenn er von unterwegs seine Follower in den Social Media Kanälen mit Content versorgt. Tendenz sinkend, so Engin: „Ich habe gemerkt, dass ich mit der Zeit immer weniger Technik mitnehme, um das Eintauchen in die Natur zu intensivieren.“
Wenn er mit den Kids unterwegs ist, hat er natürlich immer ein Smartphone und diverse Notfall-Technologien dabei. „Aber ansonsten nehme ich aktuell gar keine Technik mehr mit.“ Weniger ist manchmal mehr in der Wildnis. Das gilt auch für Begleitpersonen auf seinen Ausflügen.
„Am liebsten bin ich alleine Unterwegs. Wenn es passt, auch gerne mit meinem Sohn. Ab und zu habe Ich auch mal Lust, mit mehreren Personen unterwegs zu sein. Aber eher selten.“ Außer seine Liebsten, so Engin, vermisst er weit draußen, fernab der Zivilisation, eigentlich nichts. Schon gar nicht Massenveranstaltungen.
Wo es ihn letztendlich hinzieht, ist für Engin eher zweitrangig. „Jeder Ort hat seine eigene Magie. Mit dem richtigen Mindset kann jeder Ort besonders sein. Einen Lieblingsort habe ich nicht.“. Würde er aber nur noch ein einziges Mal unterwegs sein dürfen, würde er an einen Ort reisen, an dem er noch nie gewesen ist. Einfach, um seinen Horizont zu erweitern, neue Dinge, Menschen und Kulturen kennenlernen zu können.
Kurz innehalten, darauf einlassen und besonnen reagieren
Ob der Outdooraddict ein Vorbild hat? Gerade in Survival-Hinsicht könnte ich mir vorstellen, dass man manchmal fragt, wie diese oder jene Person, zu der man aufschaut, in gewissen Situationen handeln würde. Vorbilder und Inspirationen gäbe es viele, sagt Engin. „Wenn ich aber nur ein Vorbild nennen müsste, wäre das wohl mein Vater. Ein Haudegen von einem Mann!“ Wirklich schöne Worte, wie ich finde.
Ich denke, du wirst mir Recht geben, wenn ich behaupte, dass es mit Sicherheit genau solche Vorbilder sind, die uns anspornen, aber an die wir auch in Gefahrensituationen unbewusst denken. Die uns dann die nötige Besonnenheit geben, wenn’s wirklich drauf ankommt. Brenzlige Situationen sind in der Wildnis ja auch nicht unwahrscheinlich, wie Engin uns erzählt.
„Einmal war ich mit einem voll beladenen Kanu auf einem großen See unterwegs, als plötzlich ein Sturm samt Starkregen einsetzte. Ich hatte Angst, dass ich kentere und alles verliere. Ich hatte für einen kurzen Moment Panik und habe dann versucht, mich zu beruhigen und mich auf die Situation einzulassen. Durch konzentriertes Paddeln quer gegen die Wellen und mit Ausdauer habe ich mich bis zur nächsten Insel durchgekämpft.“
Wie er mit der Angst umgeht, fasst Engin ganz pragmatisch zusammen: „Kurz innehalten, darauf einlassen und besonnen reagieren.“ Ich weiß ja nicht, wie’s dir so geht, aber je mehr ich von seinen Tipps und Schilderungen höre, desto mehr packt auch mich der Gedanke, einfach mal auf einen Outdoor-Trip aufzubrechen und die Natur mal ganz anders zu erleben, als sonst. Vor allem dann, wenn Engin von Momenten erzählt, die man eben auch nur in der Wildnis erleben kann.
„Einmal, mitten im Wald von Nirgendwo, hat sich in der Nacht ein Fuchs etwa drei Meter vor meinem Camp hingesetzt und mich bis in die Morgenstunden einfach nur beobachtet. Er hat sich nicht wegscheuchen lassen. Er wollte auch nicht an meine Sachen zwecks Nahrungssuche. Er war einfach nur da. Völlig ruhig. Ich habe mich fünf Stunden lang am Lagerfeuer mit ihm „unterhalten“… es war mein „Der mit dem Wolf tanzt“-Zen-Moment. Völlig surreal.“
Du kannst aber davon ausgehen, dass nicht alle Tiere im Wald derart gesellig sind, wie Kollege Fuchs. Richtig weit draußen kannst du Tieren begegnen, die du vielleicht gerade mal aus dem Discovery Channel oder Wikipedia kennst. Da sich jedes Tier aber bei Gefahr unterschiedlich verhält, empfiehlt Engin, sich je nach Gebiet unbedingt vorab zu informieren, welche wilden Tiere dort leben. Und was, wenn man mal einem begegnet?
„Pauschal kann ich nur raten: Laufe nicht weg. Versuche dich groß zu machen, indem du zum Beispiel deinen Rucksack oder deine Jacke über deinen Kopf hebst – dann kannst du dich langsam zurückziehen. Bei einem Angriff mit Körperkontakt würde ich auf die Nase schlagen und /oder meine Daumen in die Augen rammen. Aber das ist auch nicht immer ratsam. Ein Bär wird sich davon nicht beeindrucken lassen. Da kannst du nur versuchen dich totzustellen.“
Das klingt vernünftig. Mit einem ausgewachsenen Grizzly möchte ich im Wald wirklich nicht um die letzte Snack-Salami rangeln müssen.
Die Top-3-Survival-Tipps von Outdooraddict1979 persönlich
So ein richtiger Outdoor-Trip ist kein 5-Sterne-Wellnessurlaub und ein stressfreies Ponyreiten auch nicht. Es würde jeden Rahmen sprengen, dir alle Dinge aufzulisten, du weit draußen bedenken und beachten solltest. Deshalb hat dir Engin seine drei wichtigsten, absolut fundamentalen Tipps zusammengestellt:
- Alles fängt im Kopf an. Überleben ist zu 90% die mentale Einstellung und nur zu 10% Ausrüstung. Wer Panik bekommt oder aufgibt, der hat schon verloren. Dies kannst du trainieren.
- Schutz gegen Kälte ist kurzfristig wichtiger als Wasser und Nahrung. Du solltest wissen, wie du mit Naturmaterialien einen Kälteschutz bauen kannst.
- Kenntnisse im Bereich Orientierung sind sehr hilfreich. Du solltest wissen, wie du die Himmelsrichtungen ohne Kompass bestimmst. Außerdem sollten grundlegende Regeln bekannt sein. Zum Beispiel empfiehlt es sich, bei Orientierungslosigkeit, immer Flussabwärts entlang zu wandern. Dadurch gelangst du immer in ein Tal und irgendwann stößt du auf ein Dorf oder eine Siedlung.
P.S.: Schaut unbedingt bei Outdooraddict1979 auf Instagram vorbei und folgt seinem Kanal, um dranzubleiben!