Corona und die Gastronomie
Stell dir vor, du müsstest gleich morgen damit aufhören, das zu tun, was dir am Herzen liegt. Aufhören, obwohl du es gesundheitlich, finanziell und praktisch eigentlich könntest. Stell dir vor, du hast überhaupt keine Schuld daran und du hast keinen blassen Schimmer darüber, wann du endlich wieder das tun kannst, was du liebst. Dann kannst du ungefähr erahnen, wie es den Leuten aus der Gastro-Branche jetzt in Zeiten von Corona geht – ob als Angestellte oder Selbstständige. In diesem Blogtext möchte ich versuchen, die aktuelle Situation und Auswirkungen zusammenzufassen und einen Hinweis liefern, was wir als Gäste tun können, um ein wenig Unterstützung zu leisten.
Durch Corona unfreiwillig in den Stillstand
Die meisten Selbstständigen, die ich im Laufe der letzten Jahre kennengelernt habe, lieben das, was sie tun. Selbst, dann wenn sie Produzenten von eher unsexy klingenden Produkten wie Rohrschellen, Gummidichtungen oder Stanzbiegeteilen sind. Aber darum geht es ja auch nicht. Sie sind Unternehmerinnen und Unternehmer. Ihr größter Drang, ihre größte Leidenschaft besteht darin, etwas zu unternehmen. Was also könnte wohl die größte Strafe sein? Richtig, nichts mehr unternehmen zu können – beziehungsweise zu dürfen.
Die Köche, Hoteliers und Restaurantbesitzer die ich kenne – und das wird bei etlichen anderen unter ihnen nicht anders sein – würden jedenfalls nie und nimmer freiwillig damit aufhören, Gastgeber zu sein und ihrer Leidenschaft nachzugehen. Die Arbeitgeber unter ihnen nehmen ihre Verantwortung ernst und wollen, dass sich ihr Team sicher fühlen kann, eine Perspektive hat – tja, wäre da jetzt nicht diese Pandemie.
Mit Freiwilligkeit oder Eigenverschulden haben die aktuellen Schließungen von beileibe nichts zu tun. Aufgrund meiner beruflichen Vergangenheit kann ich mich in die Betreiber aber natürlich vor allem in das Personal letzterer beiden gut hineinversetzen – 12 Jahre als Koch gehen eben nicht einfach so spurlos an einem vorüber. Ich frage mich heute oft: Was würde ich eigentlich tun, wenn ich noch immer in der Gastro beschäftigt wäre?
Nun arbeite ich zwar schon eine Weile nicht mehr als Koch, aber der damalige Freundeskreis blieb noch weitestgehend erhalten. Ich weiß nicht, wie es mir aktuell erginge, aber wenn ich mir heute mit meinen Kochkumpanen von damals per WhatsApp schreibe oder mich mit ihnen am Telefon unterhalte, dann sind die Meinungen ziemlich eindeutig und gleichklingend: Sie haben die Situation satt. Ihnen fällt die Decke auf den Kopf. Sie wollen endlich wieder was tun. Natürlich spielt der finanzielle Aspekt auch eine Rolle, aber eben nicht die alleinige.
Was macht den Lockdown so fatal für die Gastronomie?
Eines vorweg: Der Lockdown ist natürlich nicht nur für die Gastronomie, sondern auch für viele andere Branchen fatal – hier soll es thematisch, aber explizit um den Gastro-Bereich gehen.
Um als Außenstehender zusätzliche Tragweite der verhängten Schließungen zu verstehen, muss man sich vor Augen führen, wann sie beschlossen wurden. Nämlich genau dann, als die eigentliche Saure-Gurken-Zeit zum Jahresbeginn vorüber ging. Zur Erläuterung: Wenn man sein Hotel oder Restaurant nicht gerade an enorm frequentierten Touristen-Hotspots oder in Skigebieten stehen hat, gehen die Umsätze in den ersten Wochen des Jahres spürbar und erwartungsgemäß zurück. Die Leute bleiben in den Monaten Januar, Februar und auch noch im März anscheinend lieber daheim, als auswärts essen zu gehen. Erst in der Oster- bzw. Spargelzeit kehrt üblicherweise allmählich Normalität ein – zumindest war es bei uns so und in vielen anderen Häusern sah es nicht anders aus.
Nun, von Normalität sind wir aktuell ja weit entfernt. Man muss kein Rechengenie sein, um sich vorzustellen, wie es sich finanziell für Hotels und Restaurants auswirkt, wenn ab Januar erst einmal nur relativ wenig Umsatz gefahren wird und dieser aufgrund des Lockdowns anschließend völlig einbricht. Die laufenden Kosten – Miete, Personalkosten, Kredite und Darlehen – machen keine Lockdown-Pause. Solange aber kein Kurzarbeitergeld gibt, laufen die Konten allmählich leer – hier früher, dort später.
Aber es gibt doch Hilfen für die Gastronomie, oder?
Ja, die gibt es schon. Wie du dir aber sicherlich vorstellen kannst, sind die Systeme voll am Limit. Ähnlich wie in anderen Ländern die Gesundheitsversorgung nicht mehr vorankommt sind, geht in den Arbeitsagenturen vielerorts nicht mehr viel. Die Leute, mit denen ich gesprochen habe, haben Kurzarbeit angeordnet und entsprechend Kurzarbeit beantragen, aber sie haben auch von anderen Fällen erzählt, die nicht durchkommen, bei den Arbeitsagenturen niemanden erreichen und ihre Anträge erst gar nicht einreichen können. Es werden zwar auch Kredite angeboten, um die laufenden Kosten zu decken, aber die müssen irgendwann wieder zurückgezahlt werden. Ach, und dann ist da ja noch die Mehrwertsteuersenkung von 19 % auf 7 %, die noch im Raum steht. Wenn ich mich recht entsinne, wird diese von Seiten der Gastronomie schon seit einer Ewigkeit gefordert. Aber welchen Nutzen soll sie aktuell haben, wenn es gar keine Umsätze gibt, deren Steuerbelastung man senken könnte?
Wer sind die Gewinner in der Krise?
Die Gewinner in der Coronakrise sind ohne Zweifel diejenigen, deren Geschäftsmodell darin besteht, außer Haus zu liefern: Lieferservices beziehungsweise Bringdienste aller Art. Pizza & Co ließ man sich auch schon vor Corona gerne nach Hause liefern – jetzt sicherlich umso mehr. Und dann wäre da natürlich noch das Online-Portal für Essensbesteller Namens Lieferando, aber zu dem kommen wir später noch.
Wen hat es am schwersten erwischt?
Das sind die Hotels, die nun keinen Cent mehr verdienen, weil sie keine Übernachtungen anbieten dürfen und niemand mehr in den Urlaub fährt. Das ist die Individualgastronomie, quer durch alle Küchen und Stile. Restaurants, in die du gehst, um eine schöne Zeit zu haben, dich umsorgen und es dir gutgehen zu lassen. Restaurants, die man wegen der Atmosphäre und der Größe auch gerne in Gruppen besucht. Restaurants mit außergewöhnlicher Küche, in denen sehr hochwertige Produkte verarbeitet werden. Die Kneipe um die Ecke. Die fancy Cocktailbar. Systemgastronomie ohne Außer-Haus-Verkauf. Der Lockdown betrifft also alles, was mit Zusammensein, angenehmem Zeitvertreib, Geselligkeit und gutem Essen und Trinken zu tun hat.
Vor welchen Problemen stehen Restaurants, Hotels, Bars & Co.?
Es ist das liebe Geld. Die Liquidität. Die laufenden Kosten. Zukunftsangst. Perspektivlosigkeit, wie es weiter geht. Ich will es gar nicht weiter ausführen, aber man kann es sich an zehn Fingern abzählen, welche Probleme man hat, wenn kein Geld reinkommt beziehungsweise reinkommen kann, man aber laufende Kosten hat, die gedeckt sein müssen.
Wir haben zusätzlich Simon Kolar von Guerilla Chefs interviewt, wie er die aktuelle Lage der Gastro einschätzt:
Deshalb die Frage: Können Restaurants nicht einfach auf Lieferservice umschalten und fertig?
Die einen können es, die anderen nicht. Lass es mich so erklären: Es gibt einen Grund, weshalb wir in ein Restaurant gehen. Weißt du, welcher das ist? Im ersten Moment könnte man denken, es sei Hunger. Falsch. Zumindest ist es nicht der Hauptgrund. Schließlich buchen wir unseren Tisch ja auch Tage bis Wochen, manchmal sogar Monate im Voraus, und da können wir auch schlecht abschätzen, ob wir genau an dem Tag zu genau dieser Uhrzeit gerade Hunger verspüren, oder?
Nein, der Grund, weshalb wir in ein Restaurant gehen, ist das Erlebnis. Das muss nicht das erlesene Schickimicki-15-Gang-Degustationsmenü mit Weinbegleitung für zwei Personen im Michelinstern-prämierten Laden zum Preis einer Monatsmiete sein. Es geht darum, eine schöne Zeit zu haben, außerhalb seiner eigenen vier Wände. Gast zu sein. Sich als Gast zu fühlen, aufmerksam umsorgt zu werden, es mit freundlichem Servicepersonal zu tun zu haben, dass sich Zeit für einen nimmt. Dazu dann noch gutes Essen. Dafür zahlt man gerne mehr!
Und jetzt stell dir vor, dein Lieblingsrestaurant bringt dir dein Essen nach Hause. Was bleibt von dem ganzen Erlebnis nun übrig? Bis auf das Gericht, das da nun auf deinem Teller liegt – nichts. Ja, auch zu Hause kann man es sich schön machen und gut essen. Aber es ist und bleibt am Ende doch etwas völlig anderes. Erst recht, wenn man die Speisen nicht ohne weiteres einfach warmhalten kann. Ich möchte behaupten: Je höher die Qualität und der Anspruch des Hauses, desto schwieriger ist es, einen Lieferservice auf die Beine zu stellen, der diesem Anspruch auch gerecht wird.
Anspruch Vs. Realität
Das heißt um Gottes Willen nicht, dass die bodenständigeren Restaurants mit Außer-Haus-Service anspruchslos oder qualitativ schlecht wären – im Gegenteil! Pizza, Schnitzel, Gyros, Asia-Pfannen & Co schmecken wunderbar, und zu Hause manchmal sogar noch besser als vor Ort. Wenn man richtig Appetit auf einen dieser wahnsinnig leckeren Snacks hat, macht man es sich gerne damit auch auf der Couch gemütlich, wirft Netflix an und futtert noch direkt aus der mitgelieferten Aluschale, schmiert sich voll und fühlt sich pudelwohl. So eine Gyrospfanne lässt sich aber auch einfacher liefern, als andere Gerichte.
Ich denke, ich brauche nicht näher zu erläutern, dass es bei sehr hochwertigen Speisen zu Qualitätseinbußen kommt, wenn man sie durch die Gegend fährt. Stell dir mal ein schönes, 400 g schweres Rib-Eye-Steak vom US-amerikanischen Rind vor. Knallrot, Dry Aged, ordentlich marmoriert, und dann wird es noch genau so gebraten, wie du es am liebsten magst: medium-rare oder allerhöchstens medium. Die Röstaromen duften noch herrlich, weil das Steak gerade einen schönen letzten Geschmacks- und Bräunungsschliff mit Butter, etwas Knoblauch und frischem Rosmarin bekommen hat … so, und zack, jetzt kommt es zusammen mit den anderen Beilagen erst einmal in die Warmhaltebox und erreicht dich nach etwa 10 bis 15 Minuten Fahrtzeit. Bon Appetit.
Einfach nicht dafür gemacht
Ob du jetzt geschmacklich wohl noch genau so begeistert wärst, als wenn man das Steak frisch aus der Grillpfanne auf deinen Teller im Restaurant platziert hätte? Wohl kaum. Solche und erst recht noch viel komplexer arrangierte Gerichte sind einfach nicht für einen Lieferservice gemacht. Häuser, die einen aufwändigen Stil fahren und auf außergewöhnliche Qualität setzen, können nicht einfach ihr Repertoire in einer Styroporbox verpackt durch die Weltgeschichte fahren lassen. Das verbietet oft schon der Berufsethos.Genauso gut könnte man solche Läden fragen, warum sie nicht einfach Gesichtsmasken nähen, anstatt zu kochen.
Aber was tun? Wer seine Speisekarte nicht liefergerecht umgestaltet oder anderweitig Geld verdient, hat hier das Nachsehen. Und wer vorher nicht bereits als Außer-Haus-Restaurant bekannt war, wird hungrigen Heimbestellern auch nicht unbedingt als allererstes in den Sinn kommen.
Welche Wege finden die Gastronomen. Um das Beste aus der Situation zu machen?
Was können wir denn als Gäste tun?
Selbst ein neu eingeführter Lieferservice wird für viele Häuser das Ruder nicht herumreißen, wenn man sich ihre Kosten- und Organisationsstrukturen anschaut – diese sind ebenfalls oft nicht auf Lieferservice ausgelegt. Ein solcher könnte im besten Fall nur einen kleinen Teil des verlorengegangenen Umsatzes wieder hereinholen. Das sieht auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA so. Und wenn ich jetzt doch liefern will: Wie mache ich als Restaurant auf meinen Lieferservice aufmerksam? Auf meiner Website tummelten sich ja auch vor der Coronakrise keine Scharen an Leuten. Da gibt’s doch dieses Lieferando …
Du willst deinen Lieblingsgriechen, deine Pizzeria des Vertrauens, deinen Nummer-1-Dönermann oder wen auch immer unterstützen? Dann greifen wir mal das Stichwort Lieferando auf. Prinzipiell ein guter Service, wenn man sich schnell positionieren und sich einem breiten, bestellfreudigen Publikum präsentieren will. Aber: Lieferando ist nicht die Heilsarmee. Sie möchten natürlich auch etwas daran verdienen. Stellt sich also die Frage: hilfst du deinen Lieblingsrestaurants damit, wenn du via Lieferando bestellst? Rechnen wir es mal durch!
Angenommen, du bestellst via Lieferando eine Pizza für 10 Euro von deinem Stammitaliener, nennen wir ihn Luigi. Dort hat er sein Restaurant jetzt im Zuge der Coronakrise nämlich neu angemeldet. Von diesen 10 Euro möchte das Bestellportal aber nun 13 Prozent abhaben. Dann käme da noch die Mehrwertsteuer: Fast 2 Euro gehen aus Luigis Tasche ans Finanzamt. Lass die Zutaten, also den Teig, Saucen Belag und Verpackung insgesamt 2,50 Euro im Einkauf kosten. Schwupps sind wir jetzt nur noch bei rund 4,50 € und da sind die Personalkosten und Lieferkosten noch nicht einmal mit drin. Da schmilzt die Gewinnspanne dahin, wie der geriebene Mozzarella auf der Pizza Capricciosa. Was du als also Gast tun kannst? Unterstütze dein Lieblingsrestaurant direkt und persönlich!
#Supportyourlocal, und zwar richtig!
Ja, ohne Lieferando hätte Luigis in seiner Pizzeria möglicherweise weniger zu tun. Aber seine Marge wäre auch höher. Gerade jetzt geht es um jeden Cent. Und jeden Cent, den man nicht ausgeben muss, kann morgen seinen Laden retten. Ja, es ist sehr komfortabel, sein Smartphone zu zücken, durch die App zu swipen, sich sein Gericht auszusuchen und es sich nach Hause liefern zu lassen. In Nicht-Krisenzeiten würde ich auch sagen: Bestell über Lieferando. Dafür haben sich die Läden dort ja auch angemeldet.
Wenn du deinem Lieblingsrestaurant aber gerade jetzt etwas Gutes tun möchtest, dann: schau nicht auf Lieferando, sondern auf der Website nach, ob sie einen Lieferservice bieten. Such´s dir wie immer etwas aus der Karte raus und anschließend gibst du deine Bestellung per Telefon oder per E-Mail durch – fertig! 1,30 € von 10 € aus dem vorherigen Beispiel klingen jetzt im ersten Moment nicht nach einer halben Million in Gold, aber hochgerechnet kommt ein ganz schöner Batzen zusammen, wenn du über das Lieferservice-Portal bestellst.
Abgesehen davon: Ist es nicht schöner, mit seinen gewöhnlichen Anlaufpunkten, wie dem Restaurant, in Kontakt zu bleiben? Ich will hier keine Moralpredigt abhalten oder Grundsatzdiskussion über die Vor- und Nachteile von digitalen Bestellungen anstoßen, aber gehen durch Apps und Onlineportale nicht auch die vielen kurzen, netten und lustigen Gespräche verloren? Vor allem in diesen Zeiten, in denen unsere Kontakte ohnehin auf nahezu Null heruntergefahren sind, ist ein persönlicher Plausch doppelt so viel wert – und wenn er nur auf Distanz oder am Telefon stattfindet.
Also: #supportyourlocal – sowohl per Direktbestellung als auch mit einem netten Wort!