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„Drum Brüder, lasst uns reisen!“

26. August 2022

Es ist nicht alltäglich – aber sicher hat jeder von uns schon einmal irgendwo unterwegs einen Mann mit schwarzem Hut, schwarzer Weste, weißem Hemd und schwarzer Hose mit Schlag gesehen. Oder eine Frau. Irgendwo auf dem Weg nach irgendwohin. Wenn man jemanden in dieser traditionellen Kluft sieht, neigt man dazu, zu sagen: „Ah, da, schau mal, ein Zimmermann auf Wanderschaft!“ Das kann richtig sein – die Betonung liegt hier ganz klar auf „kann“, denn die Person in schwarzer Zunftkleidung könnte nicht nur Zimmermann sein, sondern so gut wie jedem anderen Gewerk aus dem Holzhandwerk angehören – vom Schreiner beziehungsweise Tischler über den Drechsler bis hin zum Bootsbauer.

Sicher ist: Die Kluft steckt voller Traditionen und Symbole. Ob Mann oder Frau – wer sie auf Wanderschaft trägt, befolgt dabei obendrein noch eine Menge Regeln. Doch genau so sicher ist, dass es etliche Theorien über die Geschichte, Ursprünge und Hintergründe gibt, über die sich auch Historiker uneinig sind. Bei einigen Fragen wirst du sogar nie eine zu 100 Prozent verlässliche Antwort finden. Betrachte die nachfolgenden Infos daher nicht als die unumstößliche Wahrheit, sondern als eine von vielen möglichen Versionen zum Thema Zunftkleidung, von denen sicher jede in die richtige Richtung abzielt.

Was ist überhaupt eine Zunft?

Der Begriff „Zunftkleidung“ sagt es schon – es ist Kleidung, die man innerhalb einer Zunft trägt beziehungsweise getragen hat. Um herauszufinden, was hinter so einer Zunft steckt, muss man bis ins Mittelalter zurückschauen. Aus dieser Zeit stammt der Begriff „Zunft“ ursprünglich, genauer gesagt von „zumft“, was in etwa „zu ziemen“ entspricht und grob so viel wie „Regel“ bedeutet. Und die gab es damals durchaus, als noch so einiges anders in der Arbeitswelt lief.

Während man sich heute seinen Beruf einfach aussuchen kann, war dies seinerzeit nicht einfach so möglich. Das geziemte sich nicht. Die Berufsgruppen waren nämlich in Zünften organisiert und diese ließen pro Stadt nur eine bestimmte Anzahl an Angehörigen eines Berufs zu. Da die Ausübung der Berufe nur innerhalb der Zünfte erlaubt war, verhinderten sie so, dass innerhalb einer Stadt zu viel Konkurrenz untereinander entstand.

In ganz Europa entstanden auf diese Weise Zusammenschlüsse von Handwerkern des gleichen Gewerbes. In den eigenen Zunfthäusern wurden Zunftordnungen erlassen, in denen alle möglichen Dinge geregelt waren – von der maximalen Größe des Handwerksbetriebs über Bezugsquellen von Material bis hin zur Arbeitszeit. Eine weitere gängige Vorschrift war es außerdem, dass Lehrlinge und Gesellen eine bestimmte Ausbildung durchlaufen mussten. Aber auch die Arbeitenden sollten etwas von all dem haben: In schweren Zeiten standen die Zünfte unterstützend hinter ihren Gesellen und deren Familien, zum Beispiel im Krankheits- oder Todesfall.

Apropos Familie: Die Zugehörigkeit zu einer Zunft war dermaßen manifestiert, dass sie von Generation zu Generation vererbt wurde. Mit Stolz – und diesen zeigte man auch gern. Nach außen hin präsentierten sich die Zünfte mit ihrem Wappen, ihrer Zunftordnung, dem Zunftzeichen und natürlich mit der Zunftkleidung.

Was ist Zunftkleidung und wer darf sie tragen?

Wie oben schon angedeutet, wird die Zunftkleidung auch „Kluft“ genannt. Wenn jemand heute nicht gerade als Koch, Bäcker, Metzger oder Schornsteinfeger arbeitet, ist die Arbeitskleidung nicht immer ein ganz eindeutiger Indikator dafür, welchen Beruf jemand ausübt. Das war zu Zeiten der aktiven Zünfte freilich ganz anders. Die Kluft war nicht nur ein Erkennungszeichen für das jeweilige Gewerk, sondern auch die alltägliche Arbeitskleidung. Dementsprechend war die Kluft auch ausschließlich Angehörigen der Zünfte vorbehalten.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die Zünfte abgeschafft – fortan herrschte Gewerbefreiheit. In dieser Zeit entwickelte sich auch Zunftkleidung, wie wir sie heute kennen. Sie basiert auf der Kleidung der ehrbar und zünftig reisenden Handwerksgesellen aller Gewerke, die seinerzeit damit begannen, in ihrem Sonntagsanzug auf die „Tippelei“ zu gehen – so lautet der korrekte Begriff für traditionelle Wanderschaft im Handwerk. Der Sonntagsanzug sollte nach außen hin Vertrauenswürdigkeit signalisieren, denn Kleider machen nunmal Leute.

Das Aussehen der heutigen Zunftkleidung soll auf einen Maurergesellen namens Fritz Ulrich zurückzuführen sein. Dieser kehrte um das Jahr 1095 von seiner Wanderschaft als Handwerker zurück und hielt diese einzigartigen Erfahrungen in einem Buch fest. Er soll auch der Entwickler der heute bekannten, traditionell schwarzen Zunftkleidung sein, in denen Holzhandwerker wie Zimmerleute oder Schreiner arbeiten oder auf Wanderschaft gehen. Jedes Detail der Kluft hat dabei selbstverständlich seine Bedeutung und auch im Design stecken jede Menge Einflüsse aus längst vergangenen Zeiten.

Woraus besteht Zunftkleidung?

Wie bereits erwähnt basiert die heutige Zunftkleidung auf dem Sonntaganzug der reisenden Handwerksgesellen. Daher ist sie auch schwarz und kommt in Form eines Dreiteilers daher. Dieser besteht aus:

  • einer Schlaghose
  • einem Jackett mit Perlmuttknöpfen und
  • einer Weste, an der ebenfalls Perlmuttknöpfe angebracht sind

Bevor wir zu den weiteren Bestandteilen und Details kommen, mit der die Kluft komplettiert wird, machen wir einen kleinen Exkurs zu den Wurzeln des Zimmermannhandwerks. Dessen Wurzeln, sowie auch die von praktisch allen anderen holzhandwerklichen Berufen, liegen eigentlich im Bootsbau beziehungsweise in der Bootszimmerei. Ein Detail aus diesem maritimen Background lasse sich an der Hose erkennen: Der Schlag. Einige Hosen von Marineuniformen, darunter die der Royal Navy, hatten im 19. Jahrhundert diesen Schlag, und auch bei den Matrosen und erst recht bei Schiffszimmermännern gehörte die Schlaghose quasi zur Workwear.

Dies inspirierte den Hamburger Maurergesellen Fritz Ulrich vermutlich bei seinen Entwürfen für die heute bekannte Zunftkleidung. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die Zunfthose heute noch zwei Reißverschlüsse hat. Dies geht auf die Matrosenhosen zurück, die einen beidseitig knöpfbaren Latz hatten. Dies war eine Sicherheitsfunktion: Man zog einen Tampen durch den geöffneten Latz und verschloss selbigen wieder. Wenn man dann in der Takelage hing und abrutschte, blieb man so in der Hose hängen. Auch der Schlag der Hose war praktischer Natur: Das Hosenbein ließ sich sehr leicht hochkrempeln, wenn man mal durch’s Wasser waten musste.

Die Perlmuttknöpfe an Jackett und Weste symbolisieren etwas, das seinerzeit hart erkämpft wurde: Die sechs Perlmuttknöpfe am Jackett stehen für die 6-Tage-Woche, die acht Knöpfe an der Weste dagegen für den 8-Stunden-Arbeitstag. Die Westenknöpfe sind üblicherweise so angenäht, dass der Garn den Buchstaben „Z“ bildet.

Weitere wichtige Bestandteile der traditionellen Kluft sind:

  • das kragenlose weiße Hemd, das auch als Staude bezeichnet wird
  • die sogenannte Ehrbarkeit – ähnlich einem Binder oder einer Krawatte
  • dem bei Wandergesellen als Stenz bezeichneter Wanderstock
  • ein Ohrring, der gegebenenfalls noch traditionell mit Hammer und Nagel und einem gezielten Schlag gestochen wird
  • einer Taschenuhr mit Uhrkette an der Weste. Die Kette dient als Träger für die Wappen der Städte, die man auf der Walz besucht hat und
  • der Hut – bei Zimmerern üblicherweise ein Schlapphut mit breiter Krempe, genannt „Obermann“

Insbesondere der Hut hat eine besondere Bedeutung, denn er steht dafür, dass der Wandergeselle ein freier Mann ist. Man kann erahnen, woher der auch heute geläufige Begriff der „Freisprechung“ kommt, wenn man seine Abschlussprüfung geschafft hat. So wurde man im Mittelalter vor geöffneter Zunftlade aus der Zuchtgewalt des Lehrherren vom Obermeister freigesprochen. Eine andere Theorie besagt, dass der Hut aus Zeiten der französischen Revolution stammt, als es lediglich der Oberschicht vorbehalten war, einen Hut zu tragen. Einfache Arbeiter haben sich auch dieses Recht hart erkämpfen müssen.

Sein Hab und Gut, sprich: Wechselwäsche, Schlafsack und allerhand Werkzeug transportieren Wandergesellen eingerollt im sogenannten „Charlottenburger“ – einem üblicherweise 80 x 80 cm oder mehr messenden Tuch. Damit ist das Gepäck praktischerweise auf das Wesentliche konzentriert. Übrigens: Viele Charlottenburger sind mit der letzten Zeile des Trinkspruchs der wandernden Gesellen bedruckt, der da lautet:

„Von Norden nach Süden, von Osten nach Westen – rund ist die Welt, drum Brüder lasst uns reisen.“

Die schwarze Farbe der Kluft ist den Holzberufen vorbehalten. Maurer tragen meist grau, Steinmetze und Steinbildhauer hingegen beige oder hellbraun, während blau bei Metallberufen und rot bei Textilberufen üblich ist. Die Zunftkleidung der Zimmerer besteht in der Regel aus robustem Cord. Und der ist gerade im Holzhandwerk sehr praktisch: Sägespäne und anderer Schmutz lassen sich ganz leicht herausbürsten, während der Stoff den alltäglichen Strapazen sehr gut standhält und reichlich Schutz bietet.

Wer trägt heute noch Zunftkleidung?

Zunftkleidung ist alles andere als out. Aber wie steht es um sie in den Gewerken? Trägt man sie nur noch auf Wanderschaft oder zu besonderen Anlässen? Oder gibt es auch Gewerke, in denen sie ganz üblich bei der Arbeit getragen wird? Auch hier gibt es keine absolute Wahrheit, da es einfach von Betrieb zu Betrieb abhängt.

Was aber nicht heißt, dass es keinen klaren Trend gäbe, wie wir auf Nachfrage bei ein paar Innungen herausgefunden haben. Das Ergebnis: Wenn es ein Gewerk gibt, in dem heute noch viel in der Kluft gearbeitet wird, dann ist es das Zimmererhandwerk. Der Großteil der Zimmerleute betrachtet seine Zunftkleidung einfach als Must-have im Arbeitsalltag dieses traditionsreichen Berufes. Dachdecker und Schreiner seien dagegen wesentlich aufgeschlossener, was moderne Arbeitskleidung betrifft. Zunftkleidung fungiere wohl mehr als eine Art Ausgehuniform, beispielsweise bei Richtfesten, heißt es.

Aber warum ist das so? Weshalb haben Zimmerleute eher ein Faible für die Kluft als Dachdecker oder Schreiner? Diese Frage lässt sich natürlich nicht zu 100 Prozent sicher beantworten. Möglicherweise liegt es daran, dass im Laufe der Zeit der Beruf des Schreiners aus dem Zimmermannshandwerk hervorgegangen ist. Diese Spezialisierung, die im 14. oder 15. Jahrhundert stattgefunden haben soll, war wohl hauptsächlich im städtischen Bereich von Bedeutung. Denn gerade in den Städten gab es einen immer weiter wachsenden Bedarf an fein gearbeitetem Interieur, Betten, Bänken, Truhen und sonstigen Dingen, die ein Haus schöner machten.

Doch ob in der Stadt oder auf dem Land – die Mehrheit der Schreiner, so sind sich einige Historiker einig, hätte zwar eine Lehre absolviert, jedoch sollen sie oft auf die Wanderung verzichtet haben. Das dürfte auch den Konkurrenzkampf befeuert haben, sowohl unter den Stadt- und Landschreinern selbst, aber auch zwischen Schreinern und Zimmerleuten. Denn: In beiden Berufen wurde Holz bearbeitet und ebenso nutzten sie ähnliche Arbeitsgeräte. Da ist der Streit um Aufträge im Bauhandwerk nicht weit.

Also sorgten die Zünfte für Ordnung und grenzten beide Berufe klar voneinander ab: Fortan war es nur den Schreinern vorbehalten, Holz zu verleimen und später auch zu verglasen. Damals dürfte die auch heute noch für Schreiner typische und zweckmäßige blaue Leimschürze entstanden sein – ebenfalls als charakteristisches Abgrenzungsmerkmal zum Zimmermannsberuf.

Dass heutzutage zahlenmäßig weniger Schreiner Zunftkleidung bei der Arbeit tragen als es Zimmerleute tun, hat aber nichts mit mangelndem Traditionsbewusstsein zu tun. Gleichzeitig bedeutet es auch nicht, dass Zimmermänner ausschließlich traditionelle Zunfthosen tragen. Manche schwören die altbewährte Variante aus schwarzem Cord mit Schlag, andere haben auch kein Problem mit anderen Farben und Materialien, Hosenbeinen ohne Schlag oder gar mit Bermuda-Varianten. Solange man seinen Job liebt, ist das sicher nicht als Bruch mit der Tradition zu verstehen.

Tradition vs. Moderne? Tradition UND Moderne!

In so gut wie jedem Handwerk ist es doch so Gang und Gäbe: Man greift im Berufsalltag auf die bewährten Erfahrungen und Weisheiten des Gewerks zurück – weil man sie so gelernt hat. Weil sie sich im Handwerk manifestiert haben. Weil sie richtig sind. Vor allem aber auch, weil sie die Arbeit erleichtern. Und ja, es ist gut, Bräuche zu erhalten und zu leben. Allerdings arbeiten bei aller Tradition weder Schreiner noch Zimmerleute so, wie im 19. Jahrhundert.

Natürlich gibt es noch immer Hammer und Beitel, aber ebenso auch allerhand Maschinen, die Hölzer zurechtschneiden und zusammensetzen. Auch geht es nicht ohne inneres Gefühl für Material und das Holzhandwerk an sich, aber ich möchte wetten, dass kein Zimmermann bei diesem Auftragsaufkommen heutzutage noch Pläne von Hand zeichnet – da ist das Programm auf dem Computer doch der beste Freund.

Luftaufnahmen vom Dachstuhl lassen sich in kürzester Zeit mit Drohnen anfertigen, anstatt selbst in diese luftige Höhe zu kraxeln. Und apropos: Bloß, weil es vor Jahrhunderten noch keine Kräne gab, ist es auch kein Unding, mit ihrer Hilfe schwere Balken in die richtige Etage zu hieven. Wer weiß, es ist doch gut möglich, dass eines Tages sogar Roboter mit auf der Baustelle dabei sind und den Zimmermann bei seiner Arbeit unterstützen. Forscher an der Uni Kassel tüfteln bereits daran. Man denke da nur an den Fachkräftemangel.

Aus Sicht von Weitblick als Workwear-Hersteller kann diese Entwicklung nur bestätigt werden. Man besinnt sich auf seine Werte innerhalb der Unternehmenstradition, doch man ist offen für neue Entwicklungen und Technologien, wenn sie für alle Beteiligten einen Mehrwert darstellen. Schließlich wird in den Weitblick-Fertigungsstätten ja auch nicht mehr so genäht, wie im letzten Jahrhundert. Was sich aber geändert hat, sind die Umstände, unter denen die Arbeitskleidung entsteht: Die Arbeitsbedingungen sind fairer, die Materialien noch hochwertiger, die Verarbeitung robuster und die Herstellverfahren nachhaltiger. Richtig gute, nachhaltige Workwear eben – trotz und wegen neuer Technologien.

Wenn man nun im Schreiner- oder Zimmermannshandwerk ohnehin auf neue Arbeitsmethoden und die neuesten technischen Hilfsmittel zurückgreift, was spricht dann gegen moderne Arbeitskleidung? Wenn du die farbliche Tradition beibehalten möchtest, gibt es im Weitblick-Sortiment allerhand Auswahl an Workwear in schwarz, und noch viel wichtiger: Workwear, die deiner Arbeit und der Arbeitsumgebung gewachsen ist.

Du stehst auf Zimmermannstradition aber bist durchaus bereit für neue Dinge? Dann könntest du doch beispielsweise die knieverstärkte Greybull 2.0 Bundhose mit deiner Zunftweste und Hemd kombinieren. Sie kommt schlicht daher, besteht aus einem super-robusten Materialmix und bietet dir jede Menge Taschen, in die du Meterstab & Co locker unterbringen kannst. Oder aber, du schnappst dir die Mycore Force Air, wenn du eine Arbeitshose mit noch mehr Stauraum haben möchtest.

Egal, für welches Teil du dich letztendlich entscheidest: Mit Workwear von Weitblick bringst du Tradition und Moderne zusammen, ohne dass du völlig mit alten Werten brichst. So viele moderne Gerätschaften unterstützen dich bereits heute bei deiner Arbeit – warum sollte es nicht auch deine Arbeitskleidung tun?

Bei Wegmann Holzideen im wunderschönen Allgäu wird ein moderner Look aus Denim-Hemd und Mycore Force Hose von Weitblick getragen.