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Nachhaltige Workwear: Großer Aufwand – großer Impact

20. Juli 2022

Wenn du an den Begriff „Nachhaltigkeit“ denkst – was geht dir da durch den Kopf? Was verstehst du darunter? Welche Aspekte fallen für dich unter Nachhaltigkeit, wenn es um Textilien geht? Worauf legst du hier am meisten Wert? Ich möchte wetten, dass man zehn Leute fragen könnte und am Ende zehn verschiedene Antworten bekommt.

Für die einen ist es zum Beispiel wichtig, dass ein Kleidungsstück möglichst lange hält. Für die anderen muss es unter ökologisch und sozial verträglichen Bedingungen hergestellt worden sein. Für wiederum andere beginnt Nachhaltigkeit bereits bei der ersten Faser, zieht sich durch die ganze Produktions- und Lieferkette und endet bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern. Solche, die sowohl maßvoll einkaufen als auch sorgsam mit Textilien umgehen.

Sicher ist: Bei dieser Menge unterschiedlicher, mitunter auch persönlicher Definitionen, besteht auch die Gefahr, dass der Nachhaltigkeits-Begriff zum schwammigen, nicht greifbaren Buzzword mutiert und am Ende gilt es schon als nachhaltig, wenn man sein T-Shirt nicht nach dem ersten Tragen bereits wieder wegwirft.

Im Jahre 2016 rief die Klimaaktivistin Livia Firth die Challenge namens #30Wears ins Leben. Ziel dieser Initiative war es, die Menschen dazu zu bewegen, sich beim Klamottenkauf die Frage zu stellen: „Werde ich dieses Teil mindestens 30 Mal tragen?“ Ist die Antwort ein Ja, dann könnte man zugreifen – sofern der Kleiderschrank nicht ohnehin schon überquillt. Ab dem 30. Tragen jedenfalls, so Firth, sei ein Kleidungsstück erst ein nachhaltiges Kleidungsstück. Es gibt sogar eine gleichnamige App dafür, mit deren Hilfe du die Tragehäufigkeit tracken kannst.

Darf’s vielleicht ein bisschen länger sein?

Hm, nur 30 Mal? Ich weiß nicht, wie es dir dabei geht, aber in meinen Ohren klingen 30 Mal jetzt nicht nach besonders exzessiven Trageintervallen. Aber es setzt natürlich auch voraus, dass ein Shirt, eine Hose, eine Jacke und so weiter überhaupt so lange hält. Also spielen beim Thema Nachhaltigkeit nicht nur das persönliche Konsumverhalten eine Rolle, sondern ebenso die Verarbeitungsqualität und damit auch die Robustheit des Kleidungsstücks. Erst recht und vor allem bei Arbeitskleidung.

Workwear muss bei dem rauen Alltag auf der Arbeit und natürlich auch bei der anschließenden Reinigung in der Industriewaschmaschine deutlich mehr Strapazen ertragen können, als die zarte Casual-Klamotte. Eine vielleicht noch wichtigere Frage in diesem Kontext: Wie bekommt man als Workwear-Hersteller all das, was hier zuvor beschrieben wurde, also

  • faire, ökologisch und sozial verträgliche Produktion
  • ethisches Handeln und das Vorleben von Werten
  • Lückenlose Kenntnis über die Lieferkette und eventuelle Schwachpunkte
  • Robustheit und Verarbeitungsqualität der Workwear

und vieles mehr unter den Nachhaltigkeits-Hut? Das geht natürlich nur dann, wenn Nachhaltigkeit schon seit langer Zeit im Unternehmen verwurzelt ist, wenn es nachhaltige Prozesse gibt und man sich permanent damit beschäftigt – zum Beispiel in einer dedizierten Stelle wie dem noch recht jungen Nachhaltigkeitsmanagement von Weitblick. Hier lenkt Nachhaltigkeitsmanagerin Eva Englert die Geschicke.

Vielleicht hast du ja beispielsweise vom Weitblick-Bienenprojekt gehört –  das ist nur eines von vielen tollen Projekten, das sie koordiniert und mit realisiert hat.

Mit Eva sowie auch mit Weitblick-Geschäftsführerin Isabelle Ilori-King haben wir uns über Nachhaltigkeit unterhalten und wollten wissen, wie das Unternehmen mit dem Thema aktiv umgeht, wie es dazu kam, sich der Nachhaltigkeit zu verschreiben und wie man diesen großen Aufwand meistert.

Hallo Eva! Du bist ja die Nachhaltigkeitsmanagerin bei Weitblick und daher direkt dran am Thema. Ist eine solche Stelle allein für dich schon ein Anzeichen dafür, dass man es im Unternehmen mit der Nachhaltigkeit ernst meint? Und was ging dir durch den Kopf, als du die Stellenausschreibung gesehen hast?

Ich denke, dass es auf jeden Fall ein sehr wichtiger Schritt für ein Unternehmen ist, eine Stelle im Nachhaltigkeitsmanagement einzurichten. Damit zeigt man als Unternehmen, dass man die Ernsthaftigkeit in dem Thema erkannt hat und bereit ist, das Thema weiterzuentwickeln. Gleichzeitig muss man aber auch sagen, dass sich bei Weitblick das Thema Nachhaltigkeit durch das gesamte Unternehmensmodell zieht und somit alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter viel zu dem Thema beitragen.

Als ich die Stellenausschreibung gesehen habe, hat das bei mir eine Kettenreaktion an Gedankengängen ausgelöst. Ich war schon während meines Studiums sehr an nachhaltiger Textilproduktion interessiert und hatte bislang den beruflichen Weg dorthin noch nicht final eingeschlagen. Mit der Stellenausschreibung war mir klar, was mir bislang fehlte und worauf ich meinen beruflichen Fokus legen möchte. So kann ich meine technische Leidenschaft als Textilingenieurin mit dem wichtigen Aspekt Nachhaltigkeit optimal verknüpfen.

Wie muss man sich das vorstellen, wenn man eine solche Stelle antritt? Gibt es da schon ein Nachhaltigkeits-Grundkonzept, an dem man sich schon mal orientieren kann, setzt man Prozesse ganz neu auf oder ist es ein Mix aus beidem?

Genau wie du es sagst – es ist ein Mix aus beidem. Weitblick lebt Nachhaltigkeit seit der Gründung 1931 und bereits vor vielen Jahren gab es zum Beispiel schon die erste voll kompostierbare Kollektion namens „ÖkoMax“. Auch das Geschäftsmodell, also wie das gesamte Unternehmen miteinander funktioniert, gibt bereits nachhaltige Leitbahnen und Strukturen vor, die man so aus der konventionellen Fast Fashion nicht kennt. Gleichzeitig ist es immer wichtig, sich weiterzuentwickeln, und dazu gehört natürlich auch das Aufstellen von neuen Prozessen, die ich im Nachhaltigkeitsmanagement entwickeln darf.

Welche Abteilungen und Unternehmensbereiche bei Weitblick sind in Nachhaltigkeitsprozesse und -maßnahmen einbezogen?

Die kurze Antwort wäre: Alle 😉 Vor allem aber natürlich die Bereiche Produktion, Einkauf, Materialentwicklung, Produktmanagement, IT, Marketing, Vertrieb und Design.

„Dass der Textilsektor nicht besonders umweltfreundlich ist –zumindest überwiegend – ist glaube ich kein Geheimnis.“

Wie viel Handlungsfreiheit hast du denn für deine Ideen und wie sehen die Schritte aus, bis sie in die Tat umgesetzt werden? Wie aufwändig ist das alles in der Realität?

Ich kann mich sehr glücklich schätzen, denn ich habe sehr viel Handlungsfreiheit in meinen Ideen. Weniger Spielraum hat man, wenn man sich den Regularien der Zertifizierungen hingibt. Aber auch das ist ein wichtiger Teil im Nachhaltigkeitsmanagement. Unabhängig von nachhaltigen Projekten steht jedoch bei Weitblick nichts im Wege. Von der ersten Idee geht es meist zu einer Diskussion mit verschiedenen Fachbereichen bis hin zur intensiven inhaltlichen Recherche und Marktanalyse. Natürlich müssen ein Budget, Projektzeitraum und ein klares Ziel definiert werden, bevor das Projekt starten kann. Es steckt also einiges an Arbeit hinter vermeintlich kleinen Projekten.

Liebe Isabelle, warum hat sich Weitblick denn der Nachhaltigkeit verschrieben?

Grundsätzlich muss man sich als Unternehmen in der Textilbranche von Beginn an fragen, welchen Beitrag man leisten möchte. Dass der Textilsektor nicht besonders umweltfreundlich ist –zumindest überwiegend – ist glaube ich kein Geheimnis. Umso wichtiger, dass wir als Weitblick eine nachhaltige Ausrichtung fördern und leben. Dies haben wir jedoch schon immer getan, wenn auch vielleicht nicht unter den Begriffen und Leitlinien wie sie heutzutage überall kommuniziert und definiert werden.

Wenn jemand den Gründer Gottfried fragen würde, was seine Hauptwerte waren, hätte er mit Sicherheit die herausragende Qualität sowie zufriedene Mitarbeitende und Kundinnen und Kunden genannt. So hat es sich durch die gesamte Kette gezogen. Daneben ist es uns jedoch sowieso schon immer wichtig, genau zu wissen mit wem wir zusammenarbeiten und wie unsere Partnerinnen und Partner mit ihren Mitarbeitenden umgehen. Jetzt – mit unserer noch stärkeren Ausrichtung auf Nachhaltigkeit – schaffen wir zum einen definierte Rahmen für das, was wir schon tun, und verbessern uns konkret in den Bereichen, in denen wir noch Schwachstellen haben.

Wo seid ihr denn schon sehr stark? Und weil Nachhaltigkeit sich ja durch Langfristigkeit auszeichnet: Was steht noch alles auf dem Plan?

Stark sind wir auf jeden Fall bei der hochwertigen Qualität unserer Produkte – die ja auch Nachhaltigkeit bedeutet – sowie der gesamte Prozess der internen Produktentwicklung. Ebenfalls weit sind wir bei unseren beiden größten Produktionsstätten, die bereits erfolgreich unabhängig zertifiziert sind. Ein weiterer Betrieb wurde 2022 erfolgreich auditiert und die weiteren befinden sich im Auditprozess. Ebenfalls hervorzuheben ist das große Know-how zur gesamten Lieferkette in den einzelnen internen Fachbereichen. Für die Zukunft möchten wir jedoch noch vor allem am Thema Umwelt arbeiten, zum Beispiel CO2 Bilanzierung, aber auch unsere Lieferkette transparenter machen.

Auf welche nachhaltige Maßnahme beziehungsweise welches Projekt bei Weitblick, das du angestoßen hast oder betreust, bist du, Eva, am meisten stolz und warum?

Wir haben uns in diesem Jahr viel vorgenommen und auf diese Projekte bin ich natürlich jetzt schon stolz, auch wenn sie noch im Aufbau sind. Zu viel möchte ich an dieser Stelle noch nicht verraten. Aber so viel vorweg: Durch innovative Tools werden wir uns schon bald in der Branche abheben. Ein Projekt, das ich 2021 übernommen habe, war der Grüne Knopf sowie die Verantwortung für Sorgfaltspflichtenprozesse. Hier steckt sehr viel Arbeit drin, daher ist das ein Projekt, auf das ich bisher am meisten stolz bin.

„Je mehr Unternehmen öffentlich zeigen, dass es möglich ist, umso mehr werden vielleicht auch andere Unternehmen ermutigt, den Schritt zur Nachhaltigkeit zu gehen.“

Warum lohnt es sich aus deiner Sicht für Unternehmen, sich überhaupt mit dem Thema Nachhaltigkeit zu befassen und wie können hier die ersten Schritte aussehen?

Ich denke, wer sich jetzt noch nicht mit dem Thema Nachhaltigkeit befasst hat, sollte das schnellstens tun, um den Anforderungen am Markt sowie den politischen Rahmenbedingungen in der Zukunft gerecht zu werden. Im ersten Schritt sollte man sein Unternehmen holistisch in den Kontext Nachhaltigkeit einordnen und überprüfen, ob man in einem Risikosektor tätig ist, um anschließend ein eigenes Risikoprofil zu erarbeiten. Im nächsten Schritt kann man schauen, wo man schnelle positive Veränderungen herbeiführen kann und wo es langfristig notwendig ist, eine Umstrukturierung zu planen und dadurch gewisse Risiken zu minimieren beziehungsweise zu eliminieren.

Was glaubst du, sind die Gründe, weshalb viele Unternehmen nicht nachhaltig handeln oder wenig aktiv in dieser Sache sind? Mangelndes Interesse? Kosten? Fehlendes Bewusstsein auf der Verbraucherseite? Und wie könnte man das ändern?

Alle diese Punkte treffen wahrscheinlich in einer gewissen Form zu. Es gibt aber keine pauschale Antwort, was genau der Grund am Ende ist. Für manche Unternehmen wird der Kostenfaktor eine wichtigere Rolle spielen, für andere ist es das fehlende Bewusstsein. Eine Änderung schafft man wohl nur durch Aufklärung und Wissensvermittlung, sodass sich alle darüber im Klaren sind, welchen Impact der eigene Industriesektor haben kann. Auch auf der Verbraucherseite ist es sehr wichtig, ehrlich und offen zu kommunizieren und über nachhaltiges Handeln aufzuklären.

Du sagtest mal, dass du dir wünschst, dass Kassenbons in Zukunft zu Stimmzetteln für eine nachhaltigere Wirtschaft werden. Auf wen wird es deiner Meinung nach hierfür künftig am meisten ankommen? Auf mehr und mehr Unternehmen, die sich der Nachhaltigkeit verschreiben oder die Endverbraucher-Seite mit einem immer größer werdenden Nachhaltigkeitsbewusstsein?

Ich denke es sind vor allem die großen Unternehmen, die hier ausschlaggebend sind. Je mehr Unternehmen öffentlich zeigen, dass es möglich ist, umso mehr werden vielleicht auch andere Unternehmen ermutigt, den Schritt zur Nachhaltigkeit zu gehen. Die Konsumierenden spielen aber eine ebenso große Rolle. Am Ende ist es ein Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage.

Zu guter Letzt, wo wir gerade bei Wünschen waren: Was wünschst du dir für Weitblick in puncto Nachhaltigkeit?

Ich wünsche mir, dass wir in unseren Entwicklungen genauso weitermachen wie bisher und Nachhaltigkeit auch in Zukunft als so wichtiges Thema in unserer Unternehmensstrategie ansehen.